Mehr Neugier wagen – Feierabend ohne Ziel, aber mit Richtung
Toolkit für neugierige Feierabende: Fragen stellen, Routinen brechen, Perspektiven wechseln.
Neugier will nicht erklärt – sie will ausprobiert werden. Nach Radiosendung und Deep Dive folgt heute der praktische Teil: Ideen, Übungen und kleine Gedankenöffner.
“The future belongs to the curious. The ones who are not afraid to try it, explore it, poke at it, question it, and turn it inside out.”
John C. Maxwell
Mit unserer Neugier ist es ja so: Es gibt nicht diese eine Form von Neugier. Vielmehr ist es ein Spektrum, sie besteht aus vielen Facetten. In der Radiosendung zu behaupten, ich hätte meine Neugierde verloren, war gelogen. Man kann seine Neugierde nicht verlieren. Dazu ist sie viel zu sehr Teil von uns. Sie ist ein Teil des Menschseins. Aber meine epistemische Neugier hatte sich durchaus ziemlich zurückgebildet.
Unsere Neugier ist im Wandel. Denn so wie sich die Welt wandelt, so passen wir uns an sich ändernde Umstände an. Nicht nur das Tempo hat zugenommen. Auch die Art und Weise, wie unser Geist gefordert wird, ist, gelinde gesagt, herausfordernd. Deshalb möchte ich dich dazu motivieren, dass du dir deine Neugier als etwas bewusst machst, das es zu reflektieren, zu bewahren und zu kultivieren gilt.
Neugier wird entfacht, wenn eine neue Push-Nachricht ertönt. Und sie ist leicht befriedigt. Aber ist das wahre Erfüllung? Ist das Leben? Oder nur algorithmischer Konsum mit Dopamin-Kick?
Ich vermute, da ist mehr Leben im Leben möglich. Mehr Feierabend, den es selbstbestimmt zu entdecken und zu gestalten gibt.
Und angesichts dessen lohnt es sich, seines eigenen Werkzeugkastens bewusst zu werden. Mit ein paar oft vergessenen Kniffen ist es möglich, wieder häufiger das Ruder in die Hand zu nehmen, sich von seiner epistemischen Neugier (an)treiben zu lassen und zu belohnen.
Action items:
Ask Questions.
Catch curiosity when it calls.
Bust the bubble.
Make curiosity its own reward.
Celebrate ‘failure’ and don’t be afraid to try.
Let’s go outside.
Allow your mind to wander and explore without judgment.
Explore the world without distractions.
Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum? - Neugier beginnt mit einer Frage
Ja, manchmal sind wir Erwachsene bescheuert. Denn da fördern und feiern wir kindliche Neugier, aber sind selbst zu blöd, uns an unsere eigenen Tipps zu erinnern. Heuchler! Könnte manch ein kleiner Mensch jetzt sagen!
“Questions weaponise curiosity!”
Ian Leslie
Tatsächlich ist die Kunst, Fragen zu stellen, ein wichtiger Baustein für mehr Neugier im Alltag. Besonders offene Fragen können Startschuss sein für Horizonterweiternde Gespräche. Sie führen uns zu neuen, ungewissen, herausfordernden Dingen. Nachzufragen, wenn man etwas mal nicht verstanden hat, ist deshalb auch keine Schwäche, sondern vielmehr dringendes Gebot und Zeichen der Stärke.
Probier mal dies: bevor du deine Meinung zu einem Thema kundtust, stelle zunächst drei Fragen, um ein tieferes Verständnis zu erlangen. “Wie bist du zu dieser Einschätzung gekommen? Wieso, glaubst du, ist das so und nicht anders? Wie fühlst du dich denn in dieser Situation? Nimm dir Zeit, um möglichst viele Facetten zu ergründen.
Warum? Weil es der Person gegenüber zeigt, dass du echtes Interesse hast. Weil es dein Hirn ganz anders zum Arbeiten bringt. Und weil es Spaß macht!
Mehr Fragen zu stellen bedeutet auch, sie sich selbst zu stellen: Worauf bin ich neugierig? Was interessiert mich gerade wirklich? Studien zeigen, dass es helfen kann, sich eine Liste mit Fragen zu erstellen, denen man in der kommenden Zeit nachgehen will. Denn zu erkunden, welche Leidenschaften in einem schlummern, ist wertvoller als stets extrinsischen Motivatoren zu folgen.
Der Andersmacher
Dazu gehört auch, Dinge mal wieder anders zu machen. Denn wenn wir bewusst Dinge des Alltags verändern, erscheinen diese oft in neuem Licht, ermöglichen das Entdecken von darin Verborgenem. Passend dazu ein von Rob Walker erdachter „Andersmacher“, weil er ganz fabelhaft zum Thema passt:
Frag dich doch mal: „Wie kam es dazu?“
Wir sind ständig von Dingen umgeben, die zwar von Menschenhand gemacht oder zumindest erdacht worden sind. Aber meist haben wir keinen Schimmer, wie genau die Dinge entstanden sind. Bei einem Baum oder einer Wolke haben wir vielleicht ein grobes Verständnis. Aber von einem Autoreifen? Ein Mikrofasertuch? Halte in der kommenden Woche Ausschau nach diesen Dingen und versuche ihnen auf den Grund zu gehen!
Catch curiosity when it calls
Wenn du dich mit neugierigen Menschen umgibst, wirst du selbst ganz automatisch wacher, fragender, offener. Sie hören dir zu, stellen Rückfragen – und nehmen deine Neugier ernst.
Frag also mal in die Runde: „Was interessiert dich gerade wirklich?“
Die Antwort ist oft spannender als jedes YouTube-Video mit Clickbait-Thumbnail. Und wenn du Lust auf frischen Wind im Kopf hast: Sprich mit Leuten, die anders ticken als du. Andere Meinungen, andere Lebensrealitäten, andere Blickwinkel – das macht deinen Horizont weiter als jeder Feed.
Je öfter du dich raus wagst aus deiner gedanklichen Komfortzone, desto mehr Raum entsteht: für Fragen, neue Gedanken – und echten Austausch. Und bedenke: Neugier ist ansteckend! Lass dich also anstecken oder stecke andere an!
Bust the bubble - Andere Meinungen statt Algorithmus-Kuscheln
Auch wenn du sie kaum wahrnimmst: Du bist mittendrin. In einer Filterbubble. Umgeben von Dingen und Ansichten, die dich bestätigen. Aber nicht herausfordern. Zeit, sie zu zerstechen! Geh raus und setze dich mit anderen Ideen auseinander. Such danach. Frag Freunde und Bekannte nach Büchern, Filmen, Musik außerhalb deines Spektrums. Wechsel die Perspektive. Das geht auch im Kleinen: Nimm einen anderen Weg zur Arbeit oder entscheide dich für eine andere Toilettenkabine im Büro.
Sich aus der eigenen Komfortzone herauszubewegen, hilft dabei, unseren Geist zu trainieren, nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Dazu gehört auch das Brechen mit alten Gewohnheiten. Passend dazu: hör doch mal in meine Sendung zum Thema „Routinen & Power of Habits“ rein.
Der Eisbrecher
Vorschläge für witzige, spannende, tiefgründige Fragen, die Türöffner für erhellende Gespräche sein können. Um an das Ausbrechen aus Filterblasen anzuknüpfen:
„Aus welcher Filterbubble würdest du am liebsten ausbrechen, in welcher fühlst du dich ziemlich wohl?“
Und weil auch mich deine Antwort darauf interessiert, hier die Einladung, sie mit mir hier im Chat zu teilen:
Make curiosity its own reward
Neugier ist mit dem Glückshormon Dopamin eng verknüpft. Aber schau doch mal bei all den Dingen, die dich interessieren und deine Leidenschaft wecken, welche du davon noch immer lohnenswert findest, wenn es zu keinem direkten, greifbaren Gewinn führt. Probiere mal dies: Mach eine Liste mit Dingen, die du spannend findest und frage dich, wo das pure Streben nach Wissen, die eigentliche Belohnung ist? Folge diesem Drang! Denn so programmierst du dich selbst ein wenig um.
Celebrate failure and don’t be afraid to try
Ja, I know! „Puuuh!“, denkst du dir jetzt! „Klingt nach Arbeit, Claas. Nicht sonderlich flauschig, feierabendlich.“
Seien wir doch mal ehrlich: wie oft hast du es bereut, nachdem du dich, obwohl du komplett bocklos gewesen bist, doch noch aufgerafft hast. Ob zum Sport, ins Theater, zum Essen mit Freunden. Was zunächst anstrengend wirkt, im Vergleich zum einfach auf der Couch liegenzubleiben, füllt meist unseren internen Energiespeicher. Und das nachhaltiger. „Appetit kommt beim Essen“, oder wie war das?
Wann hast du das letzte Mal etwas falsch gemacht? Wie hat es sich angefühlt? Was hast du daraus gelernt?
Dazu gehört auch anzuerkennen, dass nicht alles immer von Erfolg gekrönt sein wird. Ebenso zu akzeptieren, dass du dich stellenweise irren wirst. Neugierig sein bedeutet auch, neue Erkenntnisse und Wahrheiten über die eigenen Überzeugungen und den Stolz, recht zu haben, zu stellen. Auch das ist eine Form von „open minded“.
Let’s go outside.
Raus mit dir. Zeit in der Natur zu verbringen, stimuliert unsere Neugier, wie kaum etwas anderes. Vielleicht ist es ein natürlicher Drang, der tief in uns verwoben ist. Zu beobachten, wie Pflanzen und Tiere um uns herum in dieser Welt leben, triggert unseren Geist auf eine besondere Weise. Nutze all deine Sinne. Beobachte das Wunder des Lebens.
Und wenn du in einer Stadt wohnst: auch hier findest du Natur und Leben. Beobachte einen Spatzen oder halte Ausschau nach kleinem Grün, das sich den Weg durch den Asphalt bahnt.
Gedanken brauchen Raum, Verlaufen erwünscht
Manchmal bedeutet Neugier auch die Feststellung, bislang nicht genau zu wissen, wohin die Reise geht. Sei nicht zu vorschnell, indem du sagst: „Das ist nicht mein Gebiet“, „Das verstehe ich ohnehin nicht“. Ergänze solche Sätze: Das verstehe ich NOCH nicht, es ist NOCH nicht mein Gebiet. Manchmal gibt es kein Richtig oder Falsch. Nur dich, deine Neugier und das, was passiert, wenn du ihr folgst.
Fokus statt Feed
Und wenn du mal das Gefühl hast, dir mangelt es an der notwendigen Aufmerksamkeit, dann hilf dir selbst dabei, dich zu fokussieren. Schalte alles auf „Do not disturb“, Flugmodus an. Dinge werden oft schon spannend, wenn wir uns schlichtweg dazu entscheiden, sich auf sie zu fokussieren.
Es gibt sicherlich noch vieles mehr, was es über unsere Neugier und wie wir sie besser kultivieren können, zu schreiben gibt. Aber mein Kopf qualmt schon jetzt. Somit belasse ich es vorerst dabei.
Auf dass dieser Monat TAoMF dir ein paar Inspirationen und Denkanstöße hat liefern können und dich in Zukunft ein Stück neugieriger werden lässt.
Seitdem ich meiner Neugier häufiger mehr Platz und Raum gebe, sodass sie sich entfalten kann, habe ich auch häufiger wohltuendes Gefühl von befriedigter Neugier im Bauch. Was wiederum Lust auf mehr macht.
Es ist wirklich immer wieder erstaunlich zu bemerken, wie sehr ein paar gedrehte Stellschrauben dabei helfen, von passivem Konsum wieder zu aktiver Gestaltung zu kommen.
Oder geht es nur mir so, wenn ich häufig das Gefühl von digitaler Überforderung, Reizüberflutung und Ohnmacht in mir verspüre?
Weil es bei mir so ist, so wird der kommende Monat auch in diesem Zeichen stehen. Mehr dazu in Kürze.
📅 Save the Dates - nächste Sendung: 25.4.2025 📅
Das von meiner Seite.
Freundlichste Grüße und einen schönen Feierabend.
Claas
PS: Wenn dir gefällt, was du hörst und liest, dann empfiehl TAoMF doch einen Lieblingsmenschen deiner Wahl. Das würde mich wie immer sehr glücklich machen.
PS: Buchempfehlung: Curious: The Desire to Know and Why Your Future Depends On It von Ian Leslie
PPS: Buchempfehlung 2: Curious?: Discover the Missing Ingredient to a Fulfilling Life von Todd B. Kashdan